Zur McCarthy-Strategie von Donald Trump: Auf der Suche nach einem neuen Edward R. Murrow

Gunnar Sohn
3 min readJul 31, 2018

Donald Trump attackiert die Medien immer heftiger. “A.G. Sulzberger, der erst 37-jährige Herausgeber der New York Times, will sich das nicht länger gefallen lassen”, schreibt Spiegel Online und dokumentiert die Auseinandersetzung nach den verzerrenden Indiskretionen von Trump:

“Wir haben über die enorme Menge von Fake News geredet, die von den Medien verbreitet werden, und darüber, wie sich daraus der Begriff ‘Feinde des Volkes’ entwickelt hat. Traurig”, twittert Trump. Die Replik des NYT-Herausgebers:

“Ich habe dem Präsidenten direkt gesagt, dass ich seine Wortwahl nicht nur für spalterisch halte, sondern für zunehmend gefährlich”, schrieb Sulzberger: Seine Verunglimpfung von Journalisten als “Volksfeinde” werde “zu Gewalt führen”. Im Ausland nutzten manche Trumps Rhetorik bereits als Rechtfertigung für “breite Übergriffe gegen Journalisten”. Menschenleben stünden auf dem Spiel.

Nicht nur das. Es geht um eine Demontage des demokratischen Systems: Das Ganze gleicht der unrühmlichen Ära von Senator Joseph McCarthy, der in dem 1938 gegründeten Parlamentsausschuss zur Untersuchung sowjetischer Infiltration (House on Un-American Activities Committee — HUAC) mit der Übernahme des Vorsitzes ab 1950 die Treibjagd auf vermeintliche Kommunisten eröffnete.

Im Untersuchungsausschuss herrschte ein scharfer und undemokratischer Kasernen-Ton. Man unterbrach die Erklärungen der Befragten — die eigentlich schon wie Schuldige behandelt wurden — und brüllte sie an:

„Sind Sie Kommunist. Ja oder Nein — antworten Sie!“

Jeder, der eine liberale Gesinnung zeigte oder in irgendeiner Weise aufmüpfig wirkte, wurde als Kommunist verdächtigt. Etliche Schauspieler, Drehbuchautoren und Literaten wurden denunziert. Willkürlich.

Viele Künstler mussten sich den Verhören des McCarthy-Ausschusses aussetzen, die sich teilweise über Jahre hinzogen. 1950 standen 400 Hollywood-Akteure auf einer Schwarzen Liste, was einem Berufsverbot gleichkam. Wenn es dennoch zu Auftritten in gesponserten Sendungen kam, riefen die Kommunistenjäger zum Boykott der Waren des Sponsors auf.

Charlie Chaplin wurde 1952 nach seinem England-Urlaub die Wiedereinreise in die USA verweigert. Seine Filme seien unmoralisch und damit unamerikanisch — ein Treppenwitz, wenn man bedenkt, wie Chaplin den Charakter des Nazi-Terrors satirisch entlarvte.

Es gab nur wenige Persönlichkeiten, die sich diesem Verdachtstotalitarismus der McCarthy-Ära entgegenstemmten. Zu ihnen zählte Humphrey Bogart, der von dem Anti-Kommunisten-Komittee angegriffen wurde und Kollegen mobilisierte, um als Zuschauer zu den Hearings nach Washington zu reisen und für mehr Bürgerrechte zu demonstrieren.

Aber auch das brachte McCarthy nicht zu Fall. Es war der New Yorker TV-Journalist Edward R. Murrow, der in seiner Sendung „See It Now“ am 9. März 1954 einen Frontalangriff auf Senator McCarthy startete. In seiner Abendsendung zeigte Murrow Filmteile mit den Reden des pharisäerhaften Patrioten. Zwischen jedem Filmausschnitt wies der mutige Kommentator nach, dass der Kommunistenjäger die Tatsachen verdreht und die Unwahrheit sagt. Die Grenze zwischen Untersuchung und Verfolgung seien schmal, so Murrow.

„Anschuldigungen sind keine Beweise. Wer uns überzeugen will, muss Beweise vorlegen und sich an die Gesetze halten…Dies ist nicht die Zeit, angesichts der Methoden von Senator McCarthy zu schweigen.“

Murrow war ein Meister des politischen Fernsehjournalismus: Er entlarvte den Kommunistenfresser als schreienden, hasserfüllten und besessenen Machtpolitiker. Die Ausfälle von McCarthy, die Murrow in seiner Fernsehreihe ausbreitete, führten letztlich zur Absetzung des Komitees und zur Demontage von McCarthy. Sein Image als furchteinflößender, unbesiegbarer Kämpfer fiel in sich zusammen. Seine quälenden Zwischenrufe „Mr. Chairman, Mr. Chairman“ und „Zur Tagesordnung, zur Tagesordnung“ wurden zum Gespött der Nation. Musikalisch festgehalten in dem Song: „Zur Tagesordnung, Baby. Ich liebe Dich.“

George Clooney ist es übrigens zu verdanken, den engagierten Journalisten Murrow ins Gedächtnis zu holen. „Good Night, and Good Luck“ heißt der Schwarzweiß-Film, in dem Clooney nicht nur die Regie führte, er verfasste auch das Drehbuch und agiert als Darsteller in einer Nebenrolle vor der Kamera.

Ein Denkmal für politischen Journalismus, wie er auch heute vonnöten ist. Das war in den USA möglich. In den 50er Jahren, in den 70er Jahren zur Watergate-Affäre und das ist auch jetzt möglich. Nicht Defätismus ist gefragt, sondern Haltung.

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Gunnar Erik Sohn is an economist, published author, fellow blogger and podcaster